Es begann im größten Regenwald der Erde, dem Amazonas. Es war ein leiser Beginn. Niemand von denen, die damals dabei gewesen sind, bemerkte etwas davon: das Setzen eines Samenkorns. Dieses reifte dann die nächsten fünfundzwanzig Jahre heran, bis es als neue, junge Disziplin das Licht der Welt erblickte. Dass es so kommen wird, war ein unmöglicher Gedanke, den damals niemand hatte.
Wer waren diese Menschen, die dabei gewesen sind? Es war eine kleine Gruppe junger Wissenschaftler/innen, die fernab der Zivilisation ihrer professionellen Neugier nachgingen. Auf einer Forschungsstation im peruanischen Teil des Amazonas, die sie mit Indigenen teilten. Zwei dieser Gruppe, ein eben promovierter Biologe und eine angehende Biologin verband etwas Besonderes: ihre Liebe zueinander. Heute sind die beiden längstens verheiratet und schauen auf mehr als drei Jahrzehnte eines gemeinsamen Weges zurück, von dem sie damals noch nichts wussten.
Über Vielfalt und Schönheit
Was aber ihre Liebe bewirkte, waren schier endlose Gespräche über ihre täglichen Erlebnisse. Über die Vielfalt und Schönheit dieses Lebensraums, der infolge menschlichen Einwirkens dabei war zu verschwinden. Denn das wussten die beiden und dieses Wissen kehrte in ihren Gesprächen immer wieder. Wissen und tägliche Wahrnehmung verbanden sich in ihrem Bewusstsein bald zu einem unauflösbaren Widerspruch: Wie kann der moderne Mensch diese Vielfalt und atemberaubende Schönheit mit seinem Tun gefährden? Lag es daran, dass Schönheit kein wissenschaftliches Thema war in einer Welt, die der Wissenschaft ein Vorrecht im Erkennen einräumt? Vielleicht ist es so, dachten sich die beiden jungen Wissenschaftler. Und erschraken darüber, dass ihre Wissenschaft, die sie liebten, blind war für die Schönheit des Amazonas.
Über systemisches Können
Die endlosen Gespräche der beiden über ihre täglichen Erlebnisse kreisten aber noch um ein anderes Thema: der Lektion, die ihnen die indigenen Menschen auf der Forschungsstation erteilten. Diese Lektion gab ihnen Hoffnung. Die Indigenen lehrten sie, dass eine andere Lebensweise möglich ist. Denn im Zusammenleben mit ihnen erlebten die beiden Naturwissenschaftler ein stupendes Können. Es stellte ihr eigenes universitäres Wissen weit in den Schatten. Die Indigenen behandelten ihren Lebensraum in einer Weise, die bewies, dass sie um dessen Zusammenhänge genau Bescheid wussten. Sie waren vollendete Systempraktiker, ohne je davor von Systemtheorie gehört zu haben. Wie war das möglich?
Dass systemisches Können das Erleben der Indigenen prägte, war offensichtlich für die beiden jungen Wissenschaftler. Ihr eigenes Erleben und Wahrnehmen des Regenwaldes war hingegen bestimmt von ihrem analytischen Verständnis. Verglichen mit dem Können der Indigenen empfanden sie es als beschämend rudimentär.
Eine Ahnung mit Folgen
Das Offenkundige dieser Lektion: Die Indigenen organisierten ihr Erleben anders als es die beiden jungen Naturwissenschaftler gewohnt waren. Sie folgten keinem analytischen Leitstern, sondern einer systemischen Auffassung, die alles in ihrem Erleben prägte. Nicht nur das Denken, sondern eben alles, was sie taten, ohne dass dabei das Denken vorauseilte.
Nein, diese Worte kamen den beiden damals nicht in den Sinn. Es sind die Worte des Schreibers, der auf diese Episode nun von seiner Warte dreißig Jahre später zurückblickt. Für die beiden jungen Wissenschaftler war es eher ein Ahnen. Jedoch eines mit radikalen Konsequenzen: der Abkehr vom akademischen Mainstream, der kein Interesse zeigte an den Ideen der beiden jungen Naturwissenschaftler, die der Urwald in ihnen keimen ließ.
Back to the Future
Zurück in ihrer Heimat, gründeten sie ein Unternehmen. Dessen Zweck: die Erforschung des menschlichen Erlebens und die Schönheit der Welt als Gegenstand der menschlichen Wahrnehmung. Das Mittel dafür: die Gestaltung von Erlebnisräumen. Über ein Vierteljahrhundert folgten zahllose Aufträge. Ganz unterschiedliche Unternehmen wie Aquarien, Besucherzentren, Kindermuseen, Museen, Themenparks und Zoos aus In- und Ausland zählten zu den Kund/innen und bescherten einen reichhaltigen empirischen Fundus. Und so kam die Erlebniswissenschaft ins Leben: als geordnetes System von Erkenntnissen, die dieser pralle Erfahrungshintergrund ermöglichte.